Der Koalitionsvertrag – Arbeitsmarkt

Ãœberraschenderweise widmet sich erst Kapitel 2 des Koalitionsvertrags dem Arbeitsmarkt – dabei wurde doch von überall die große Bedeutung dieses Teils beschworen. Auch der Aufbau innerhalb des Kapitels ist seltsam. So fängt es mit der Senkung der Lohnzusatzkosten an. Da steht aber nur bekanntes (z.B. MwSt-Anhebung). Interessanter wird es danach.

Zeile 1033:

Vorfahrt für junge Menschen

Vorfahrt ist vermutlich das neue Lieblingswort des Hauptphrasendreschers der Union. Junge Menschen haben Vorfahrt, Arbeit ebenso. Mal gucken, wer noch so alles.

Natürlich ist der Grundsatz, den die SPD schon länger ausgib, auch in der großen Koalition Bestand. Fördern und Foltern Fordern. Dieser soll natürlich auch junge Menschen betreffen:

Zeile 1080 ff:

Jugendliche, die dieser Pflicht nicht nachkommen, müssen mit Sanktionen rechnen

Welche Sanktionen gemeint sind steht nirgendwo. Vermutlich Streichung aller Leistungen.

Zur Lohnhöhe steht natürlich wenig im Vertrag, schließlich ist das ja auch Sache der Tarifpartner und nicht der Regierung. Aber in einem Bereich stimmt das nicht. Im Niedriglohnsektor hat die Regierung schon mitzureden – und tut das auch:

Zeile 1200 ff:

Wir wollen […] sicher stellen, dass Löhne nicht in den Bereich der Sittenwidrigkeit heruntergedrückt werden können.

Leider wird dieser Bereich nicht quantifiziert. Wenn man sich dann anguckt, dass Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen selbst nach Tarifvertrag im Osten nur 4,96€ pro Stunde verdienen wird das umso interessanter.

Zeile 1288 ff:

Gleichzeitig gilt es, unsere internationalen Pflichten bei der Erfassung der Arbeitslosigkeit nachzukommen und eine seriöse länderübergreifend vergleichbare Statistik zu erstellen.

Dieser Satz ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Terz, den die Union bei Änderung der Statistik Anfang des Jahres und damit zusammenhängender Ãœberschreitung der 5-Mio-Arbeitslosen-Grenze gemacht hat, sehr interessant. Aber jetzt ist ja auch kein Wahlkampf mehr…

Leider schweigen sich die ersten Seiten des Arbeitskapitels völlig über Hartz IV aus. Erst nach fünf Seiten taucht der Begriff Hartz IV das erste Mal auf. Natürlich beginnt der Abschnitt darüber mit einem Bekenntnis zu Hartz IV – war ja nicht anders zu erwarten. Danach aber kommen eigenwillige Dinge:

Zeile 1316 ff:

Neben technischen Änderungen wird es auch im Leistungsrecht Veränderungen geben.

Na, wie geht der Absatz wohl weiter? Mit einer Erklärung der Veränderungen, die da angedacht sind? Falsch. Gar nicht. Die Koalition ist sich wohl auch noch nicht sicher, was sie ändern wollen. Nur das etwas geändert werden soll ist schonmal klar.

Passend zu der Broschüre, die Clement vor Kurzem vorstellte (und die ihm eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung einbrachte), wird den “Sozialschmarotzern” ein großer Abschnitt zugestanden, in dem die Koalition erklärt, wie sie den Leistungsmissbrauch verhindern will.

Zeile 1376 ff:

CDU, CSU und SPD haben sich darauf verständigt, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Leistungsempfänger zur Teilnahme an einer Telephonabfrage verpflichtet werden, in der die aktuellen Lebenssituationen überprüft werden.

Wie darf man sich das vorstellen? Handy-Pflicht? Eine generelle Pflicht, am 3. jeden Monats zu Hause zu sein, damit man erreichbar ist?

Zeile 1390 ff:

Personen, die erstmals einen Antrag auf Leistungen stellen, sollen daher nach Prüfung der individuellen Situation Sofortangebote zur Aufnahme einer Beschäftigung oder Qualifizierung erhalten. Diese Maßnahmen können auch der Überprüfung der Arbeitswilligkeit dienen.

Zum Einen: Wo wollen sie die Angebote hernehmen? Sind wir wieder bei dem Mythos, dass jeder einen Job finden kann? Arbeitslose sind nur zu faul? Oder sollen sinnfreie Qualifikationsseminare durchgeführt werden, nur damit man Leistungen kürzen kann, wenn die Arbeitslosen mitkriegen, zu was für einem Mist man sie da zwingt?

Aus der Presse schon gut bekannt ist, dass der Kündigungsschutz in Zukunft erst nach 24 Monaten greifen soll, sofern dies der Arbeitgeber und -nehmer so wollen. Im Endeffekt natürlich nur der Arbeitgeber, denn der Arbeitnehmer hat nicht wirklich eine gute Verhandlungsposition. Sehr gut ist in dem Zusammenhang ein Satz. Szenario: 15 Zeilen darüber, wo der Kündigungsschutz gelockert wurde.

Zeile 1463:

Damit gestalten wir den Kündigungsschutz einfacher.

Ach ne. Noch einfacher wäre er gestaltet, wenn man ihn gleich ganz abschafft…

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Bildung und Ausbildung.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *