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Computerspiele und ihre Auswirkungen

Schon der zweite Beitrag in Folge, der nichts mit Indien zu tun hat… Aber mein Indienaufenthalt geht ja auch dem Ende entgegen.

Vor ein paar Tagen gab es in Emsdetten einen Amoklauf eines ehemaligen Schülers in seiner Schule. Dabei wurden viele Menschen verletzt und der Amokläufer getötet. Aber über den Amoklauf als solches haben schon genug Zeitungen berichtet, bis ins letzte Detail. Hier soll es um die auf den Amoklauf folgenden Reaktionen gehen. Wie nicht anders zu erwarten folgten diese fast sofort wieder dem gleichen Muster wie immer. “Killerspiele” werden verantwortlich gemacht. Dabei tun sich immer wieder die gleichen Menschen hervor, allen voran Christian Pfeiffer. In seiner Tätigkeit als Chef des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen hat er schon verschiedene Captain-Obvious-Awards eingeheimst. Eine seiner letzte bahnbrechende Erkenntnisse war zum Beispiel: In Kinderzimmern, in denen Fernseher und Computer oder Spielekonsolen stehen, wird mehr Gebrauch von derartigen Geräten gemacht. Aber natürlich stehen auch viele Politiker seinen Forderungen nach dem Verbot von gewaltverherrlichenden Spielen in nichts nach. Dazu habe ich diverse Gedanken:

Erstens: Gewaltverherrlichende Spiele sind schon lange nicht mehr frei verkäuflich. Sie werden indiziert und sind danach nur noch ab 18 zu erwerben, dürfen nicht mehr beworben werden und nicht offen ausgestellt werden. Das (natürlich unbelegte) Argument, dass sie sich negativ auf die Entwicklung von Kindern auswirken zieht also nicht. Insbesondere zieht aber das Argument nicht, dass daran ein Komplettverbot irgendetwas ändern würde – die Jugendlichen kommen schon jetzt nicht legal an diese Spiele. Zusätzlich gibt es die USK, die Spiele bewertet und dann ihr Logo auf die Spiele druckt. Dieses Logo besagt, ab wann die Spiele verkauft werden dürfen. Im Prinzip ist das die 1:1-Umsetzung des gleichen Systems, wie es schon bei Kinofilmen existiert.

Zweitens: Woher kommt die Sicherheit, dass Computerspiele an irgendwas schuld sind? Es gibt meines Wissens nach keine einzige Studie, die einen kausalen Zusammenhang nachweist. Es gibt einige Studien, die einen Zusammenhang nachweisen, aber über die Kausalität gibt es keine Studien. Die Studien sind also ähnlich hilfreich bei der Entscheidungsfindung bezüglich eines Verbots wie eine Studie, die nachweist, dass 100% aller Attentäter in den letzten 48 Stunden vor dem Amoklauf geschlafen haben. Denn ist es nicht viel logischer anzunehmen, dass ein Mensch, der offensichtlich Gewalt gut heißt sich natürlich auch eine Freizeitbeschäftigung sucht, die zu dieser Neigung passen? Diese Frage hat bisher niemand beantwortet. Diese Frage wird meist nicht gestellt. Es wird als Allgemeinwissen hingestellt, dass dem so ist:

[Die Spiele] animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten.

(Stoiber)

Wir wissen, dass Killer- und Folterspiele Nachahmungstaten anregen.

(Zeit-Autor Jörg Lau)

Diese Spiele verändern den Bezug Jugendlicher zur Realität grundlegend. Ihre Realität wird die Videowelt.

(Wolfgang Speck, Chef der Gewerkschaft der Polizei)

Belegt wird die Aussage nie.

Das spricht sich aber scheinbar so langsam auch bei den traditionellen Medien herum. Die Zeit hat auch eine kritische Erwiederung auf den oben zitierten Artikel gedruckt. Die Tagesschau meldet sich auch kritisch zu Wort:

Doch dass der Konsum von Gewaltdarstellungen eine direkte Auswirkung auf das Verhalten des Betrachters oder Spielers habe, ist keineswegs belegt. Im Gegenteil: Empirische Nachweise für diese “monokausalen und linearen Zusammenhänge” gebe es in der Forschung nicht, sagt Medienwissenschaftler Achim Hackenberg von der Freien Universität Berlin.

Und es gibt mehr Beispiele. Auch in der Politik. Und das macht mir Hoffnung. Vielleicht spricht sich das eines Tages soweit herum, dass die Verbotsforderungen auch in der Allgemeinheit als das angesehen werden, was sie sind: Unqualifiziertes Gesabbel…