Der Koalitionsvertrag – Wirtschaft und Technologie

Nach der Präambel jetzt also das erste Kapitel des Koalitionsvertrag der Großen Koalition, die Deutschland in ein paar Tagen offiziell regieren wird. Nicht besonders überraschend ist, dass das erste Kapitel sich der Wirtschaft widmet – dass Technologie im gleichen Kapitel behandelt wird dagegen schon. Wirrer wird es aber wenn man dann sieht, dass der Arbeitsmarkt nicht in das Kapitel fällt, ebenso wie Bildung und – aufgepasst – Forschung. Wer sich diese Aufteilung ausgedacht hat… Ich wette, dass bei vielen Themen erstmal gute Teile der vorgesehenen Zeit dafür verwendet werden mussten um zu klären, wo die Ergebnisse denn jetzt reingehören.

Dieses Kapitel beginnt mit viel Bullshit. So langweiligem, nichts-sagenden Bullshit, dass ich euch den Anfang erspare. Erst in Zeile 681 ff wird es interessant:

durch eine Stärkung des Verbrauchervertrauens wollen wir die private Konsumnachfrage beleben.

Durch eine Stärkung des Vertrauens. Davon, den Verbrauchern mehr Geld zukommen zu lassen steht hier nichts. Nein, einzig das Vertrauen soll gestärkt werden. Also wirklich: Dauer-Du-bist-Deutschland-Berieselung. Juchu.

Zeile 692 ff:

Die Senkung der Steuersätze der letzten Jahre hat zwar die Erträge mancher Unternehmen und deren Investitionsfähigkeit gesteigert. Die höhere Ertragskraft hat allerdings noch nicht zu ausreichenden Inlandsinvestitionen geführt. Die größere Investitionsfähigkeit muss auch zu einer verbesserten Investitionstätigkeit führen. Im internationalen Vergleich brauchen wir deutlich bessere Abschreibungsbedingungen. Bis zum Inkrafttreten einer Unternehmensteuerreform werden in einem ersten Schritt durch günstigere Abschreibungsbedingungen gezielt Anreize für eine verstärkte Investitionstätigkeit gegeben.

Ich übersetze das mal eben: Wir haben den Unternehmen viel Geld gegeben. Das haben sie sich genommen und behalten, statt es wieder auszugeben. Damit sich das ändert geben wir ihnen noch mehr Geld. Sehr gute Lösung, klingt völlig logisch…

Zeile 703:

Öffentlich Private Partnerschaften

Aua. Vielfach ist Denglisch dumm, weil es ausreichende deutsche Worte gibt und es keinen Grund gibt, sie nicht zu nutzen. Aber Wenn dem nicht so ist, sollte man doch bitte das englische Original nehmen und es nicht wörtlich übersetzen, die Groß-/Kleinschreibung ignorieren und dann auch noch die Bindestriche vergessen. Netterweise sehen die Autoren des Koalitionsvertrages das wohl auch so, so dass man nach nur zwei Vorkommen auf die Public Private Partnerships (Zeile 710) umgestiegen ist.

Jetzt ein kleines Ratespiel. Die Ãœberschrift ist “Clusterbildung und hochinnovative Leuchtturmprojekte”. Na, worum geht es? Auch auf die Unis getippt? Nicht grämen: hab ich auch. Ist aber nicht so. Es geht zwar um Wissenschaft, aber nicht um die Unis, jedenfalls nicht explizit. Dummerweise geht es um gar nichts explizit. Der ganze Abschnitt ist sehr ungenau gehalten und spricht von verstärkter Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Schade, dabei hätte mich das durchaus interessiert. Chance vertan, liebe Koalitionäre.

Zeile 825ff:

In einem Aktionsplan „High-Tech-Strategie-Deutschland“ werden wir unter anderem […] Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums […] bündeln.

Was darf man sich darunter vorstellen? Noch restriktivere Kopierrechte? DRM für alle? Und überhaupt: Was hat sowas in einem Abschnitt über die Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft zu suchen?

Ãœbrigens will die große Koalition jetzt doch eine Transrapid-Strecke in Deutschland. Mal gucken, wo die langführen wird. Durch’s Ruhrgebiet, wo der Transrapid kaum beschleunigen kann? Oder doch eine 2 Minuten lange Strecke in München zum Flughafen? Oder fällt doch jemandem auf, dass man schnelle Züge eher da braucht, wo lange gefahren wird, ohne dass dabei alle 3 Minuten gehalten wird?

Die Koalitionsparteien werden zur Sicherung der Zukunft des Industrie- und Forschungsstandorts Deutschland Anreize für den Aufbau bzw. Ausbau moderner und breitbandiger Telekommunikationsnetze schaffen. Dazu sind die durch entsprechende Investitionen entstehenden neuen Märkte für einen gewissen Zeitraum von Regulierungseingriffen freizustellen, um für den Investor die notwendige Planungssicherheit herzustellen.

Warum hier nicht gleich “um für die Telekom die notwendige Planungssicherheit herzustellen” geschrieben wurde ist mir nicht ganz klar. Wer anders hat kaum die Möglichkeit, entsprechende Netze so großflächig auszubauen, dass Regulierung nötig wäre.

Zeile 907 ff:

Offene internationale Märkte und freier Handel sind von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands.

Darüber kann man getrennter Meinung sein…

Zeile 922 ff:

Dabei müssen Außenwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit besser verzahnt werden.

Ich übersetze: Wir müssen die Entwicklungsländer effektiver ausnutzen und unsere Entwicklungshilfe an Aufträge für deutsche Großunternehmen koppeln.

Das war’s auch schon aus diesem Kapitel. Es fehlen zwar noch rund 100 Zeilen, aber da passiert nichts. Im Wesentlichen steht da noch, dass ein möglichst freier EU-Binnenmarkt nötig ist, aber bitte nur, wenn das Aufträge nach Deutschland bringt. Wenn der freie Markt Deutschland irgendwie schadet ist er natürlich böse und wird nicht gebraucht sondern schadet. Ãœberraschung.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit dem Arbeitsmarkt.

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